Dienstag, 24. November 2009

Dienstagsfrage 48/2009

Das Wollschaf fragt:
Strickt ihr am liebsten vor dem Fernseher, Radio? Oder mit Musik (cd) evtl. bei einem Hörbuch, in Gesellschaft oder ganz in Ruhe?
Herzlichen Dank an Gudrun für die heutige Frage!

Ich glaube, ich bin ein bisschen schräg geworden mit dem Alter, daher hab ich etwas merkwürdige Gewohnheiten angenommen:

Mein Hirn rödelt schon immer ständig wie irre vor sich hin. Das ist ziemlich lästig, ich muss mich arg anstrengen, diese ständig streunenden Gedankenkurven zur Ruhe zu bringen. Deshalb sind eigentlich alle meine Freizeitaktivitäten darauf ausgerichtet, mich so zu beschäftigen, dass dieses Rödeln in meinem Hirn in gemäßigte Bahnen fließt. Dazu brauche ich zwei Dinge: eine gewisse Einförmigkeit, prinzipiell eher Stille von außen und etwas zu tun für die Hände.

Mein Leben teilt sich da irgendwie in "laut" und "leise". Laut bedeutet Unruhe, leise bedeutet innere Ruhe und sowas wie - in der Reiterei nennt man das "Versammlung". Insofern ist Fernseher laut, Hörbuch oder Filme sind leise. Menschenansammlungen >10 sind laut, Gespräche <10 sind leise. Rock und Pop sind laut, klassische Musik ist leise. Stricken ist leise, Bude Umkrempeln oder komplexe Nähprojekte sind laut. Garn Wickeln ist leise, drei Stunden Garndurcheinander Entwirren werden immer lauter. Einkaufen in einem großen Geschäft ist laut, Einkaufen in einem kleinen Laden ist leise. Textredaktion ist leise, Beratung und komplexes Projektmanagement sind laut. Und weil letzteres in meinem Beruf deutlich überwiegt, brauche ich oft einen Ausgleich im Privatleben.

Vermutlich habe ich deshalb keinen Fernseher, denn der bringt mich nicht zur Ruhe, sondern macht mich aggressiv. Ich kann dabei auch nichts anderes machen, das bringt nur noch mehr Unruhe.

Es gibt dementsprechend drei Situationen, in denen ich am liebsten stricke:

1. Daheim mit einem Hörbuch oder einem Film. Ich mag Stille, aber grade im Herbst brauche ich etwas, worauf meine Gedanken sich konzentrieren können, sonst werde ich arg dunkeldepressiv. Das klappt nur dann, wenn Strickprojekt und Hörmedium zusammenpassen. Wenn das Strickprojekt einfach ist, muss der Film oder das Buch spannend sein, wenn das Strickprojekt komplizierter ist, muss ich den Film oder das Buch schon kennen. Wenn Film und Strickprojekt zu bekannt oder eintönig, werde ich so zappelig wie dann, wenn das Strickprojekt zu kompliziert ist für einen neuen Film. Deshalb, man mags kaum glauben, gucke ich gerne zu, wie Meg Swansen und Elisabeth Zimmermann zusammen stricken, das hat etwas ausgesprochen Beruhigendes für mein Hirn.

2. Im Strickcafé mit ein paar anderen Frauen. Ich sitze da gerne dabei und stricke und da ist es auch egal, ob kompliziert oder nicht. Irgendwie ist die Zusammensetzung unseres Treffens immer so, dass ich da zur Ruhe komme, weil die Leute selbst nicht Geltungsbedürfnis haben oder sonstwie "laut" sein müssen, sondern einfach nur auch stricken und sich sehr freundlich unterhalten, lachen oder was auch immer. Es ist eigentlich nur ein- oder zweimal passiert, dass sich die Unruhe nicht gelegt hat. Und das war, als eine Mitstrickerin sich missverständlicherweise angegriffen fühlte und sofort die Krallen ausgefahren und jemand voll vor den Kopf gestoßen hat. Da musste ich aus der Situation raus, sonst wäre ich zum Rammbock geworden, und bei sowas kann ich mich selbst nicht leiden.

3. Im Zug auf einer langen Zugfahrt. Da sitze ich in meinem Sitz und stricke vor mich hin, mal dies, mal das. Ich höre dabei auch nichts, keine Gespräche oder sonstwas. Nur "laute" Leute, die dann so eine Grundunruhe reinbringen, stören mich in dieser Selbstversunkenheit. Das hatte ich grade am Wochenende, da stieg eine Frau mit zwei kleinen Kindern in den Zug und versuchte zunächst, einen älteren Mann hinter mir von seinem Sitz zu vertreiben, weil sie dachte, sie hätte den Sitz reserviert. Der konnte gar nicht so schnell sagen, er hat selbst den Platz reserviert, wie sie schon den Schaffner holen wollte. Ich hab ihr dann ihren richtigen Platz gezeigt, damit sie Ruhe gibt. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich je leiser rede, desto lauter die Leute werden. Die Frau jedenfalls hat mich fast nicht mehr verstanden. Ich buche da auch gerne mal einen Platz im Ruheabteil, auch wenn das unbequemer ist als im Großraum. Und da störts mich nichtmal, wenn ein Baby oder Kleinkind drin ist und rumhibbelt, das ist irgendwie mehr Teil des Lebens als aggressive Menschen.

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